Quarantäneerprobt

Im Corona-Abstand von rund zwei Metern sitzen wir uns auf dem Garten-Sitzplatz gegenüber, nachdem die Einkaufstüten in der Küche deponiert sind. Pa sagt, er sei Quarantäne-erprobt. Im Einsiedler Internat seien sie hinter den Klostermauern von der Außenwelt fast vollständig abgeschottet gewesen. Keine Zeitung, kein Radio, Fernsehen gab es noch nicht – eine frühe Quarantäne-Erfahrung. Dementsprechend wohl fühlt er sich in dieser Ausnahmesituation. Um 7 Uhr steht er auf, macht seine Rückenübungen, dann gönnt er sich ein opulentes, zweistündiges Frühstück mit ausgedehntem Zeitunglesen. Von 10 bis 17 Uhr sitzt er an seinem Schreibtisch, einzig unterbrochen von einer Suppe oder Obst. Gegen 17 Uhr besucht er seine Lebenspartnerin zu Fuss in drei Funktionen: als Zubringer, Kostgänger und Spitex-Ersatz. Wieder zuhause beginnt um 19 Uhr 30 die Tagesschau, die er seit ein paar Wochen im ehemaligen Kohlenkeller schaut, während er auf dem Hometrainer dreieinhalb Kilometer abspult. Nach einem Abend mit Musik, Literatur oder TV neigt sich zwischen 23 und 24 Uhr ein langer Tag dem Ende entgegen.

Mark Riklin, Soziologe und Brückenbauer, St. Gallen

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